Kalbotyra ISSN 1392-1517 eISSN 2029-8315

2025 (78) 9–10

Vorwort

Perspektiven einer zugänglichen und fundierten Korpusmethodologie in Forschung und Lehre

Dieses Themenheft erweitert den thematischen Horizont von Kalbotyra über die rein linguistische Analyse hinaus und richtet den Blick auf die vielfältigen Einsatz­möglichkeiten von Korpora innerhalb der Germanistik, einschließlich literatur­wissenschaftlicher Fragestellungen und des Fremdsprachenunterrichts. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Einsatz von deutschen Korpora in der Auslands­germanistik, wo die Lernenden neben den Fachinhalten auch Deutsch als Fremdsprache lernen. Dabei werden die Herausforderungen berücksichtigt, denen die Lernenden aufgrund unterschiedlicher sprachlicher Niveaus begegnen. Um zugleich den sich rasant wandelnden digitalen Entwicklungen Rechnung zu tragen, wird das Themenspektrum dieses Heftes durch Beiträge ergänzt, die die Rolle generativer Künstlicher Intelligenz untersuchen, insbesondere hinsichtlich der Anwendung großer Sprachmodelle in philologischer Forschung und Lehre, sowie Beiträge, die sich mit anderen Sprachen wie Englisch, Litauisch oder Lettisch beschäftigen.

Für Sprachwissenschaftler:innen, Literaturwissenschaftler:innen und Expert:innen für Deutsch als Fremdsprache stellen Daten in Form empirischer oder literarischer Korpora eine unverzichtbare Ressource für Forschung und Lehre dar. Korpora ermöglichen einen strukturierten Zugang zu Sprachdaten unterschiedlicher Themen und Textsorten, einschließlich literarischer Texte. Die Daten können dabei durch linguistische oder andere interpretative Annotationen auf verschiedenen Ebenen angereichert werden, sodass latente Merkmale erschließbar werden, die über die Textoberfläche hinausgehende Generalisierungen und Einsichten erlauben. Die praktische Nutzung von Korpora gestaltet sich jedoch keineswegs einfach. Forschende, Lehrende und Lernende sind gleichermaßen mit der Herausforderung konfrontiert, sich Löschen den Zugang zu den Korpusdaten über Interfaces und Abfragesprachen zu erschließen, wofür es nach wie vor zu wenig didaktische Materialien für Nutzer:innen mit begrenzten Vorkenntnissen gibt. Eine weitere zentrale Herausforderung besteht in der Entwicklung kritischer Datenkompetenz – etwa dem Bewusstsein, dass jede Korpuskompilierung bestimmte Beschränkungen aufweist, die sich später in den Ergebnissen niederschlagen, die aus dem Korpus gewonnen werden.

Das Themenheft greift die genannten Herausforderungen auf, indem es Beiträge versammelt, die den Einsatz von Korpora in Forschung und Lehre beleuchten, die Bedeutung von „Corpus Literacy“ reflektieren und Folgen für eine fundierte Korpusdidaktik ableiten. Es vereint Fallstudien, die die Anwendung spezifischer Korpora und Werkzeuge auf konkrete Forschungsfragen demonstrieren, didaktische Szenarien entwickeln, bei denen die Korpusmethoden entweder in die Materialerstellung oder unmittelbar in den Unterricht integriert werden, sowie Diskussionen zu den methodischen und technischen Grundlagen korpusbasierter Forschung. Darüber hinaus enthält es Reflexionen über die Herausforderungen des Aufbaus und der Annotation von spezialisierten Korpora und diskutiert den Einsatz generativer Künstlicher Intelligenz zur Unterstützung linguistischer und literaturwissenschaftlicher Analysen sowie zur Korpusentwicklung.

Auch wenn das Themenheft durch einen offenen Call initiiert wurde, stammen die meisten Beiträge dieses Bandes aus Vorträgen oder praxisorientierten Sitzungen, die im Rahmen von Workshops sowie Forschungs- und Lehraufenthalten im Projekt Korpusdidaktik für formelhafte Sprache (KoDi-FS) entwickelt wurden – einem institutionellen Partnerschaftsprojekt zwischen der Universität Vilnius und der Universität Hamburg. Jeder Beitrag wurde in einem anonymen Peer-Review-Verfahren von mindestens zwei Expert:innen sorgfältig begutachtet. Unser besonderer Dank gilt den Gutachter:innen für ihre Zeit und ihr konstruktives Feedback, das entscheidend zur wissenschaftlichen Qualität dieses Heftes beigetragen hat. Ebenso möchten wir dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) für die Unterstützung mit Mitteln des Auswärtigen Amts danken. Der DAAD fördert das Projekt KoDi-FS seit 2022 und hat in diesem Rahmen auch die Veröffentlichung dieses Themenhefts ermöglicht. Die Veröffentlichung wird auch über das Programm für lituanistische Forschung 2025–2030 (Projekt-Nr. P-LISs-25-62) vom Forschungsrat Litauens finanziert.

Heike Zinsmeister, Vaiva Žeimantienė, Skaistė Volungevičienė und Carla Sökefeld

Hamburg und Vilnius, 2025