Die Erzählhaltung in der Novelle „Tonio Kröger" von Thomas Mann ist durch die wechselnde Distanz zwischen dem Erzähler und der Figur bedingt. Bei der maximalen Distanz sind zwei verschiedene Erzählsituationen möglich: die einstimmige Beschreibung des Erzählers einerseits und die szenische Gestaltung andererseits. (Bei der szenischen Gestaltung tritt der Erzähler für kurze Zeit in den zweiten Plan zurück, und die Figur gewinnt dadurch relative Unabhängigkeit.) Weder beschreibend-berichtende Erzählung noch szenische Gestaltung kennzeichnen den Erzählstil dieser Novelle.
In viel größerem Maße ist für „Tonio Kröger" minimale Distanz zwischen Erzähler und Figur charakteristisch. Die Funktion des Erzählers erfordert, dass er ganz eng an den Helden gebunden ist, dass ihm das Innere des Helden restlos offensteht. In der Novelle dominiert zweistimmige Erzählung. Tiefe Einfühlung in die innere Welt des Helden ermöglicht ihn in seinem Namen aber aus der Sicht der Figur die Bewusstseinsprozesse dieser Figur darzustellen. In der Rede des Erzählers ist deutlich die Stimme der Figur hörbar. Deshalb gewinnt die Erzählerrede emotionale und subjektive Färbung, welche gewöhnlich die Figurenrede kennzeichnet.
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