„Herakles" besteht bekanntlich aus zwei Teilen: im ersten Teil behandelt Euripides die Rettung der Familie des Herakles, im zweiten – die Vernichtung. Somit ist „Herakles" eine Doppeltragodie, deren zweiter Teil unmotiviert und für den ersten Teil gar nicht notwendig ist. In gleicher Weise kann man „Alkestis" als aus zwei Teilen bestehend betrachten, weil im ersten Teil der Tod der Alkestis und im zweiten ihre Errettung behandelt wird. Der zweite Teil dieser Tragödie ist gleichfalls unmotiviert, da aber die Errettung der Alkestis im Mythos unmittelbar nach ihrem Tode folgt, macht man dem Tragiker keinen Vorwurf dafür. Ebenfalls ist „Andromache" eine Doppeltragodie mit dem Unterschied, dass der zweite Teil motiviert ist, d. h., als Folge des ersten Teiles anzusehen ist. Bei Sophokles findet man drei Doppeltragödien: die „Trachinierinnen", deren zweiter Teil als Folge des ersten Teiles angehängt wird, die „Antigone", deren zweiter Teil motiviert ist, und den „Aias", dessen zweiter Teil unmotiviert ist. Daraus kann man schließen, dass die Griechen an den Doppeltragodien gewohnt waren, und dass sie an die Unmotiviertheit des zweiten Teiles einer Doppeltragodie keinen Anstoß nahmen.
Dass die Unmotiviertheit einer einzelnen Szene oder irgend eines Teiles einer Tragodie den Griechen keinen Anstoß erregte, zeigt die Beliebtheit, der sich die Schlusszenen mit dem „deus ex machina" und mit der Wiedererkennung erfreuten. Sowohl der „deus ex machina" als auch die Wiedererkennung sind unmotiviert. Sogar Sophokles, der sein Theaterpublikum gut kennt, bedient sich im „Philoktet" dieses Mittels. Aristoteles kritisiert den „deus ex machina" nicht dafür, dass er unmotiviert ist, sondern weil er ihm allzu primitiv scheint.
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